Der Stern von Bethlehem leuchtet von Weihnachten noch ein wenig ins neue Jahr hinein – bis zum Ausklang der Weihnachtszeit am 6. Januar. Die Heiligen Drei Könige, die an diesem Tag gefeiert werden, treten in der Bibel als «Weise» beziehungsweise «Magier aus dem Osten» auf.
Sie waren Gelehrte, die am Himmel einen besonderen Stern entdeckten und sich von ihm den Weg zum neugeborenen Jesus weisen liessen. Astrologen des Altertums also; Vertreter einer Lehre, die noch heute lebendig ist. Gerade jetzt, zum Jahreswechsel, wenn bunte Magazine, Familienzeitschriften und andere Medien ihre Jahreshoroskope publizieren. Wie wird das Jahr für uns, für die Familie, das Land, die Welt?
Zwei Lehren. Astrologie fasziniert. Sie wird aber auch belächelt und beargwöhnt, in christlichen Kreisen besonders, steht sie doch in einer Spannung zur biblischen Tradition. Mehrfach wird in der Bibel vor Sterndeuterei gewarnt: «Und sollen dir doch helfen, die den Himmel einteilen, die in die Sterne schauen, die an jedem Neumond wissen lassen, was über dich kommen wird. Sieh, wie Stoppeln sind sie geworden, das Feuer hat sie verbrannt» (Jesaja 47,13–14). Oder, aus dem Mund des Apostels Paulus: «Wie könnt ihr euch da wiederum den schwachen und armseligen Elementarmächten zuwenden, um ihnen von neuem als Sklaven zu dienen?» (Galater 4,9)
Um zu verstehen, wovon die Rede ist, gilt es zunächst einmal zu unterscheiden zwischen Astronomie und Astrologie. Erstere ist die naturwissenschaftliche Himmelskunde, wie sie an den Schulen und Hochschulen betrieben wird. Zweitere ist die Lehre von der Sterndeutung: Was sich am Himmel abspielt, lässt sich laut der Astrologie in Horoskope fassen, die Auskunft geben über den künftigen Lauf der Welt und die Geschicke Einzelner.
In babylonischen Zeiten waren beide Stränge noch vereint; Sternkundige vermassen mit wissenschaftlicher Exaktheit das Geschehen am Himmel und deuteten es zugleich als Botschaften der Götter. Die Götter selbst sahen sie in den Planeten verkörpert; dies stand in Widerspruch zum biblischen Monotheismus. Doch auch im christlichen Europa hatte die Astrologie noch bis weit in die Barockzeit ihren festen Platz im wissenschaftlichen Betrieb.
Lichter als Zeichen. Heute ist man sich weitgehend darüber einig, dass zumindest die allgemein gehaltenen Jahres-, Wochen- und Tageshoroskope in den Unterhaltungsspalten der Medien nichtsweiter sind als ebendies: populäre Unterhaltung. Daneben gibt es aber auch Astrologinnen und Astrologen, die für sich in Anspruch nehmen, seriös und fundiert zu arbeiten. Wie Beatrice Ganz, Präsidentin der Astrologischen Gesellschaft Zürich. Für sie bilden Theologie, Astrologie und Philosophie eine «kosmologische Einheit», wie sie im Gespräch sagt. Wer Astrologie ernsthaft betreibe, absolviere auch eine intensive Ausbildung, zu der unter anderem Psychologie und Astronomie gehören.
Um den theologischen Bezug zu verdeutlichen, verweist ihre Gesellschaft auf den Wortlaut derbiblischen Schöpfungsgeschichte. «Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre» (Gen 1,14–15). Die Bibel spreche den Sternen also Zeichenhaftigkeit zu; folglich sei es legitim, diese Zeichen zu deuten. Damit lasse sich Astrologie «im Prinzip» theologisch begründen. Kirchliche Kritik könne dann noch Einzelkritik an den historisch und kulturell bedingten unterschiedlichen Ausprägungen dieser Wissenschaft sein.Astrologin Beatrice Ganz ist jedenfalls überzeugt davon, dass Gott die Geburtsstunde jedes einzelnen Menschen nicht zufällig, sondern in einem astrologischen Kontext festlege.
Machtlose Sterne. Für den Theologen Andreas Losch hingegen, der am Zentrum für Weltraumforschung und Habitabilität der Universität Bern arbeitet, ist Astrologie theologisch heute kaum mehr relevant: «Grundsätzlich machte sie Sinn, solange man an einem aristotelischen und geozentrischen Weltbild festhielt.» An einem Weltbild also, bei dem die Erde im Mittelpunkt des Kosmos steht, umgeben vonHimmelssphären, die die Vorgänge auf der Erde bewegen und beeinflussen – mit Gott als «erstem Beweger».
Auf das heutige heliozentrische Weltbild passten solche Vorstellungen nicht mehr, so Losch. Im Übrigen fragt er sich, ob der biblische Schöpfungsbericht wirklich als theologische Legitimation der Astrologie tauge. «Ich habe diese Zeilen immer so verstanden, dass hier die Sterne, anders als im babylonischen Ursprungsmythos, ja entgottet werden, ihre Macht also verlieren, abgesehen von der Aufgabe der Zeitbestimmung.»
Auch der Dortmunder Pfarrer Andreas Hahn hat sich in einer Abhandlung mit der Astrologie auseinandergesetzt. Er anerkennt, dass es seriöse Vertreterinnen und Vertreter dieser Zunft gibt, hält abschliessend aber fest: «Gott und nicht die Sterne bestimmen menschliches Leben, und das christliche Thema von Verwandlung und Neuschöpfung ist im astrologischen Vorstellungsrahmen nichtvorgesehen.» Somit bleibe das Verhältnis zwischen Astrologie und christlichem Glauben «mindestens spannungsreich».
Hans Herrmann