Liebe Mitglieder der Astrologischen Gesellschaft Zürich, liebe Freunde!

Aus gegebenem Anlass schauen wir mit diesem Newsletter auf ein kosmisches Ereignis, das momentan besonders lange zu beobachten ist, nämlich die Konjunktion von Venus und Mars. Was gewöhnlich nur wenige Tage dauert, zieht sich nun über knapp drei Wochen hin, nämlich vom 16. Februar bis zum 6. März. Die Ursache dafür ist der Wechsel der Laufrichtung der Venus. Bis zum 29. Januar war sie rückläufig, seitdem läuft sie wieder direkt. Nach einem solchen Wechsel bewegt sich ein Planet aus Sicht der Erde zunächst langsam, so dass der Mars, der sich knapp 8° hinter der Venus befand, zu ihr aufgeschlossen hat. Beide begegnen sich zunächst auf 16° 56‘ Steinbock. Dort läuft der Mars an der Venus vorbei, entfernt sich aber nicht weiter als 2° von ihr, bis ihn die Venus auf 0° 19‘ Wassermann wieder überholt, der Gradzahl der Jupiter/Saturn-Konjunktion vom Dezember 2020.

Was können wir erwarten, wenn diese beiden Planeten 18 Tage lang gemeinsam ihre kosmischen Runden ziehen? Schauen wir zunächst auf die Mythologie, die uns viel Spannendes dazu verrät.

Vordergründig handelt es sich um die Liebesgöttin und den Kriegsgott, also zwei gegenpolare Symbole. Es wäre allerdings zu einfach, die Konjunktion darauf zu reduzieren, denn in der Mythologie waren die beiden ein heisses Liebespaar, das nie voneinander lassen konnte. Das Problem war nur, Venus war verheiratet, und zwar mit dem göttlichen Schmied Hephaistos, der als Mann ziemlich unattraktiv war, als Kunsthandwerker jedoch unerreicht. Nach einer der zahlreichen Liebesnächte seiner Frau mit Mars warf Hephaistos ein eigens konzipiertes, unsichtbares, aber auch unzerstörbares Netz über die beiden und trommelte alle olympischen Götter zusammen, die sich an dem Anblick ergötzten.

Einmal unabhängig von der Moral, stehen Venus und Mars im persönlichen Bereich für Sinnesfreunde und Leidenschaft, für Sehnsucht und Begehren, für Genuss und Engagement, für Werte und deren Durchsetzung.

Es ist eine der faszinierenden kosmischen Korrelationen, dass diese ungewöhnlich lange Konjunktion eine Epoche anzeigt, in der es offensichtlich endlich eine nachhaltige Öffnung der Gesellschaft nach zwei Jahren Lockdowns, Stagnation und Einschränkungen gibt; und nach heftigen Diskussionen um Werte, um die Spannung zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung. Wir dürfen davon ausgehen, dass der individuellen Freiheit wieder mehr Raum gegeben wird, weil die gesamtgesellschaftliche Bedrohung als nicht mehr relevant angesehen wird und Zwangsmaßnahmen zumindest in liberalen Gesellschaften nicht mehr legitimiert werden können. Also können wir die Verbindung von Mars und Venus in ihrer schönsten Form feiern. Dazu gehört die Hinwendung zu venusischen Werten: sinnliche Genüsse wie Essengehen in einem schönen Ambiente, Wellness-Angebote, berührende Konzerte, und warum auch nicht Shopping Touren? Kurzum, all das, was in letzten Jahren gar nicht oder nur sehr begrenzt möglich war.

Mit der Dynamik und Energie vom Mars entsteht eine Durchschlagskraft, gegen die traditionelle Vertreter von Recht und Ordnung kaum noch eine Chance haben. Sie können das Bedürfnis nach Öffnung und Genuss nicht länger unterdrücken.

Interessant ist auch die Betonung der Zeichen. Die Konjunktion beginnt im Steinbock, wo sie auch die meiste Zeit stattfindet. Hier geht es bekanntlich um Ernsthaftigkeit, Disziplin und Struktur – Ernsthaftigkeit in den oben beschriebenen Themen von Venus und Mars. Die Öffnung, die neue Hinwendung zu venusischen Genüssen, sind kein kurzzeitiger Spleen, keine spontane Reaktion auf die Einschränkungen der letzten zwei Jahre, sondern ein ernstes Anliegen der gesamten Gesellschaft. Im Steinbock geht es immer um den grösseren gesellschaftlichen Zusammenhang. Wir können also auch aus der Zeichenstellung schliessen, dass es ernst wird mit der Öffnung, mit der neuen Freude an dem, was Venus und Mars zu bieten haben.

Im Wassermann trennen sich die beiden schliesslich, und auch das ist eine treffende Symbolik. Im Wassermann geht es um Visionen und Inspirationen über den Alltag hinaus. Bisweilen erscheint er abgehoben, aber wir benötigen diese Energie, um nicht im Alten zu verhaften. Venus und Mars könnten also neue Dimensionen entwickeln, wie ihre Themen konkret umgesetzt werden. Es geht mehr als im Steinbock um persönliche, aber auch um gesellschaftliche Freiheit, es geht darum, Neues zu entdecken, nicht zuletzt im Verhältnis der Geschlechter. Zwar wird seit Jahren viel über Gleichheit geredet, aber die Praxis hinkt häufig weit hinterher. Der Wassermann ist auch nicht der Praktiker, aber seine Ideen könnten so überzeugend sein, dass der Wunsch übermächtig wird, sie umzusetzen. Immerhin vollzieht sich die abschließende Konjunktion auf dem Grad der letzten Jupiter/Saturn-Konjunktion, die eine ganz besondere war. Es war nämlich der Beginn der 200-jährigen Epoche der Grossen Konjunktion in den Luftzeichen. Wir dürfen also mit neuen Inspirationen und luftigen Themen rechnen.

Was sagt die Venus/Mars-Konjunktion darüber hinaus mundanastrologisch? Hier stehen sie sich polar gegenüber. Die Venus repräsentiert Diplomatie, Verträge und Ausgleich. Der Mars sucht die Konfrontation, was wir derzeit vor allem im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erleben. Interessant ist dabei, dass in der Mythologie und vor allem in der künstlerischen Darstellung der Mythologie fast immer die Venus die Oberhand behält. Mars wird von ihrem Zauber überwältigt und streckt die Waffen. Piero di Cosima und Sandro Botticelli haben die bekanntesten Werke zu diesen Motiven geschaffen. Auch wenn bei derartigen Darstellungen Wunschdenken eine Rolle gespielt haben dürfte, reflektieren sie dennoch alte Erfahrungen. Wenn Mars allein seine Runden zieht, ohne ein Korrektiv, das seine Aggressionen in konstruktive Dynamik umwandelt, ist die Gefahr von Krieg und Zerstörung gross. Hat er jedoch die Venus an seiner Seite, steht die Chance gut, dass er die Waffen niederlegt. Insofern bin ich optimistisch, dass die heraufziehende, knapp dreiwöchige Venus/Mars-Konjunktion die aktuellen globalen Konflikte entschärfen wird und wir akut nicht mit einer Eskalation etwa in der Ukraine rechnen müssen.

Dazu ein paar Verse des römischen Dichters Lukrez, der schon vor über 2000 Jahren den Sieg der Venus über den Mars besungen hat:

„Heiß indessen das wilde Gebrüll laut tosenden Krieges / Aller Orten nun schweigen und ruhn zu Land und zu Wasser, / Da nur du es verstehst, die Welt mit dem Segen des Friedens / Zu beglücken. Es lenkt ja des Kriegs wildtobendes Wüten / Waffengewaltig dein Gatte. Von ewiger Liebe bezwingen / Lehnt sich der Kriegsgott oft in den Schoß der Gemahlin zurücke/“

                                                                                                                  Klemens Ludwig, Tübingen